Mit diesem AWARD ehren wir, das Team des IFFMH, die aus unser Sicht eindrücklichsten, stilprägendsten und innovativsten Filmemacher*innen der Gegenwart und zeigen einen herausragenden Film aus ihrem Werk. Der GRAND IFFMH AWARD ist mit 10.000 Euro dotiert.
Grand IFFMH Award

TIM FEHLBAUM
Schon für seine frühen Kurzfilme erhielt er erste Preise. Dann folgte ein beeindruckendes Genredebüt, daraufhin ein erster englischsprachiger Film und schließlich der internationale Durchbruch, mit der Oscar-Nominierung als Höhepunkt: Wir ehren den Schweizer Regisseur Tim Fehlbaum mit dem GRAND IFFMH AWARD.
Die Münchner Filmhochschule (HFF) hatte immer schon ein enges Verhältnis zu den mythologischen Grundbildern des amerikanischen Genrekinos. Sie wurden von frühen Studenten erst dekonstruiert (Wim Wenders) und dann rekonstruiert (Roland Emmerich). Wie seine beiden Vorgänger hat auch der Basler Tim Fehlbaum im ersten HFF-Semester eine sogenannte Kameraübung gedreht, für die man traditionell drei Rollen schwarz-weißes 16-mm-Filmmaterial bekam. Damit drehte Fehlbaum ›Für Julian‹, einen spannenden kleinen Thriller über eine brutale Entführung. Ein junger Mann wird in ein Auto gezerrt, bekommt eine Maske über den Kopf gezogen und landet schließlich, von einer Waffe bedroht, gefesselt auf einem Stuhl. Diese Fingerübung in der Hitchcock-Schule aus Surprise und Suspense wurde später mit dem „Shocking Shorts Award“ ausgezeichnet. Der Preis bestand in einem zweiwöchigen Master-Programm bei Universal in Los Angeles (seit 1960 Hitchcocks filmische Heimat, weshalb das Motel aus ›Psycho‹ bis heute Teil der Studiotour ist). Schon nach dem ersten Studienjahr schien Fehlbaums Weg damit mehr oder weniger vorbestimmt.
Später machte er aus ähnlichen Erzählideen seine ersten beiden Kinofilme. Zunächst die postapokalyptische Endzeitvision ›Hell‹, eine durch Sonne, Sand und Staub gelb eingefärbte Reise durch ein verbranntes Deutschland (die aber in korsischen Waldbrandgebieten gedreht wurde). Und dann den bläulich schimmernden Science-Fiction-Film ›Tides‹ (diesmal auf Englisch gedreht, jedoch größtenteils in einem riesigen künstlichen Wasserbecken in den Münchner Bavaria-Studios). Beide Filme sind in erster Linie spannend gemachte Thriller; aber es existiert in ihnen eine zweite Ebene und die führt uns noch mal zurück zu ›Für Julian‹.
Als vielleicht erster HFF-Student hatte Fehlbaum sich nämlich eine zusätzliche vierte Rolle besorgt: Farbfilmmaterial. Weil die Kameraübung damals noch rein analog am Schneidetisch entstand, brauchte er diese vierte Rolle zur Rückübertragung von
farbigem MiniDV-Material auf Film (ein Look, der kurz zuvor durch Thomas Vinterbergs ›Das Fest‹ oder Dominik Grafs ›Der Felsen‹ fürs Kino geadelt worden war). Dieses parallel geschnittene Videomaterial erzählte nun eine eigenständige zweite Handlungsebene. Die schwarz-weißen Bilder eines scheinbaren Gewaltverbrechens entpuppen sich dabei als Julians rein innerliche Angstvorstellung. Die äußere „Wahrheit“ hingegen zeigen die farbigen Bilder: Julians Entführung ist nur ein Prank seiner besten Freunde, die eine Überraschungsparty zu seinem 18. Geburtstag geplant haben. Durch diese zweite Erzählebene wurde aus einem Spannungsdramolett eine clever gemachte kleine Reflexion über Filmbilder (und über deren Verhältnis zur Wirklichkeit).
Neben Hitchcock bildete das Werk von Michael Haneke (›Funny Games‹ und insbesondere ›Benny's Video‹) eine zweite wichtige Referenzebene für diese paar Minuten Studentenfilm. In den ersten langen Arbeiten wurde eine solche Metaebene noch gut versteckt, aber sie war auch hier vorhanden. Philipp in ›Hell‹ oder Louise in ›Tides‹ nehmen die Welt draußen zu Beginn nur aus dem Auto bzw. einem Brunnenschacht heraus wahr, durch winzige Schlitze oder Ausschnitte, die zuweilen Bildformaten des Kinos entsprechen. In ›September 5‹ schließlich kehrte sich dieses Verhältnis dann vollständig um: Der Film ist nur noch an der Oberfläche ein Spannungsdrama; dahinter geht es narrativ um professionelles Bildermachen. Auf dem Höhepunkt muss sich ein TV-Team der Verantwortung stellen, die mit dieser Tätigkeit ganz grundsätzlich einhergeht.
Insofern schließt sich hier ein großer Kreis: Seit jener vierten Rolle sind Fehlbaums Arbeiten immer auch Filme übers Filmemachen; nicht zuletzt dafür ehren wir ihn.
- Die Preisträger*innenmehr lesen